25.12.05

Russische Weihnacht



Guido Watermanns Leib- und Magenblatt, die Leipziger Volkszeitung, fällt unter der Überschrift „Russische Weihnachten – sehr deutsch“ mit der Tür ins Haus: „Weichnachten ist eine Zeit der Besinnung“. Und fährt fort: „Doch wir feiern die so genannten Deutsch-Russen (...)?“ Hier ein „c“ zu viel, dort ein „r“ statt ein „e“ – vor lauter Wodka kann das schon mal vorkommen.

Doch nein, in Borna gibt es keinen Wodka. Ein Ehepaar wird hier zum Grog eingeladen – „’Dabei sprechen wir genauso schlecht deutsch wie russisch’, erzählt Hermann.“ Das ist wohl eher eine Selbstaussage des Journalisten. Wenn er sagen will, dass es deutsch-russische Paare gibt, schreibt er: „Es gibt in ihrer ehemaligen Heimat auch viele Ehen mit Russen und Deutschen.“

Wie es die Russen mit der Religion halten, erschließt sich nicht auf Anhieb: „Und selbst unter den Orthodoxen gibt es in Russland kleine Unterschiede, da sie sich sowohl als katholisch und die Katholiken selbst als orthodox betrachten.“ Betrachten jetzt die Orthodoxen die Katholiken als katholisch, oder sich selbst? Wer betrachtet die Katholiken als orthodox? Und worin liegt der kleine Unterschied? Fragen über Fragen.

Der nächste Satz lässt mindestens ebenso viele Fragen offen: „In dieser Zeit fasten viele Menschen mit und ohne Fisch. Hermann liebt Fisch.“ Fastet sie jetzt gerade deshalb ohne Fisch, oder mit? Liebt sie dann das Fasten? Die deutsch-russische Seele bleibt auch an dieser Stelle rätselhaft. Dass die Deutsch-Russen, wie im letzten Satz behauptet, im Gehen beten, glauben wir dem Reporter auch nur bedingt.

Unser Journalist lässt auch den Klassiker des Deutschlehrens nicht aus. Über Frau Hermann schreibt er: „...und lehrt ihnen die deutsche Sprache“. Dabei weiß doch jeder, dass das „lernt“ heißen muss!!

29.11.05

Wachsame Apachen

Dass die Kelly-Familie nicht singen kann, wussten wir schon; dass sie auch nicht programmieren (lassen) kann, hat Kontemplator, Bruder der Journalist Academy im Geiste, herausgefunden: Die dunkle Seite der Kelly-Family. Viel Spaß beim Lesen.

27.11.05

Denn Du bist Deutschland

"Ludwigshafen - ein Jahrhundert in Bildern. Unsere Stadt im 20. Jahrhundert" heißt ein Bildband von 1999, den das dortige Stadtarchiv herausgegeben hat. Auch wenn er auf die aktuelle Kampagne "Du bist Deutschland" nicht direkt inspirierend gewirkt hat, bestätigt das Bild das ungute Gefühl, das Guido Watermann beim Betrachten der Motive der Werbekampagne (wofür eigentlich?) regelmäßig befiel. Weitere Diskussionsbeiträge in diesem Blog (Andreas.de) und in diesem (Spreeblick), zur Rezeptionsgeschichte etwas bei Archivalia.

12.11.05

Die NPD greift nach den Sternen


Über den folgenden Text stolperte Guido Watermann auf den Webseiten der NPD:

Während in Berlin um die Posten der Macht geschachert wird, geht die Welt weiter.
Welche man sich in dieser mechanistischen Metaphorik wie eine Art Uhr vorzustellen hat. - ganz naturgesetzlich: "Die NPD in ihrem Lauf / hält weder Ochs noch Esel auf."

Und wer die Welt nicht selbst gestaltet, wird von ihr überrollt werden.
Bei den Nationalen muss es ja immer gleich der ganze Globus sein. Da kann man bildlich gesprochen schon mal unter die Räder, nein, die Kugel kommen.

Das gilt auch für die Außenpolitik.
Und jetzt sind die fernen Galaxien dran. Liebe Außerirdische, zieht euch warm an, die NPD hat sich vorgenommen, auch eure Welten zu gestalten!

1.9.05

Osteuropa

Mit dem Engagement deutscher Verleger in Osteuropa beschäftigt sich die journalistische Fachzeitschrift Insight in ihrer August-Ausgabe. Dort stand es (früher!) um die Pressefreiheit und somit um die Kenntnis grundlegender journalistischer Fähigkeiten nicht allzu gut. Ralf Geissler schreibt in Insight: "Viele sozialistisch geschulte Redakteure hatten keine Ahnung, wie man sexy Überschriften macht, wie viel Busen auf dem Playboy-Titel zu sehen sein muss und was man Teenagern bieten sollte, damit sie zur Bravo greifen."
Die Kollegen haben schnell dazu gelernt.

23.8.05

Über die bayerischen Staatsforste

Es ist Sommer. Das Wetter macht trübsinnig. Ich lese Zeitung.

Was schreibt die Süddeutsche im Bayern-Teil (Seite 1)? "Minister Miller würdigt Arbeit der Almbauern." (46 Zeilen) "Forstminister Miller sieht im Wald ein großes wirtschaftliches Potential" (96 Zeilen) Außerdem: Ein Interview mit dem Vorsitzenden der Bayerischen Staatsforste (272 Zeilen). Weiter: "Landesumweltamt rechnet nicht mit großem Hochwasser" (75 Zeilen) Habe ich etwas übersehen? Ach ja, die Meldung rechts unten. Hier heißt es: "Von der Public-private-Partnership erwartet Bayerns Innenminister Günther Beckstein eine Steigerung der Effizienz bei öffentlichen Bauten."

Es regnet immer noch. Alle sind in Urlaub.

Nur die Pressestelle der Staatsregierung nicht.

18.8.05

Gelernt ist gelernt

Heute wurde Guido Watermann Zeuge, wie ein junger Mann hinterm Marktplatz in Borna Leute anmachte. "Guten Tag, darf ich Sie mal was fragen?" Wer nach dieser Ansage nicht die Flucht ergriff, weil er sich im Griff eines Zeitungsvertreters oder von Scientology wähnte, erfuhr, dass der junge Mann im Auftrag der Leipziger Volkszeitung eine Umfrage durchführte. Und zwar darüber, was man denn so von Edmund Stoiber und seinen Äußerungen über die Ostdeutschen halte. Watermann sah dem eine Weile zu und wunderte sich, dass niemand dem jungen Mann eine Keule über den Kopf schlug. Zu einem Interview kam es aber auch nicht.

Guido Watermann wollte sich schon drücken, da wurde er auch angesprochen. Aber fix, wie wir Journalisten sind, schoss er zurück: "Da kann ich Ihnen gar nicht helfen. Ich bin nämlich aus Bayern!" Da freute sich der junge Mann erst: "Fein, ich auch!" Und stutzte dann: "Das hilft mir aber gar nichts, ich soll Ostdeutsche fragen..."

Es entspann sich noch ein nettes Gespräch, in dem Guido Watermann, der neugierig Fragen stellte, erfuhr, dass der junge Mann aus einem kleinen Ort hinter Augsburg kommt und derzeit - noch - ein Volontariat in der Zentrale der Leipziger Volkszeitung macht. Wir trennten uns im besten Einvernehmen.

Ob der junge Mann von seinem Redakteur wohl arg gerüffelt wurde, weil er versäumt hat, einen Bayern, der zufällig in Westsachsen spazieren geht, nach seiner Meinung zu Stoiber zu fragen? Auf jeden Fall hatte er mit seiner Methode weniger Arbeit. Laut Stoiber sind wir Bayern ja intelligenter als die Ossis. Und das hat unser Volontär wieder einmal bewiesen, liebe LVZ!

30.7.05

Rad ab

Dass ehemalige Minister der Bundesrepublik manchmal nicht alle Tassen im Schrank haben, ist bekannt. Aber was ist von einem Ex-Justiz- und Ex-Außenminister zu halten, der weder gedanklich noch sprachlich im Stande ist, einen Sachverhalt ordentlich zu kommunizieren? Klaus Kinkel über Holger Pfahls: Der sei nur ein "ausführendes Rad am Wagen" gewesen. Kein Rädchen im Getriebe, sondern ein Hinterrad bei Vorderradantrieb? Doch das führt ja nicht aus, sondern läuft mit. Also ein Vorderrad bei Vorderradantrieb? Mithin, wenn schon kein ausführendes, so doch ein getriebenes Rad? Das alles über Holger Pfahls. Der Bayerische Rundfunk und die WELT, die darüber berichteten, können nichts dafür. Da hat wohl der Ex-Minister selbst ein Rad ab.

21.7.05

Ein Fall für www.deppenapostroph.de


Info’s im Netz – Wie sicher sind sie?

fragen sich Frank Hommel-Bytyqi und Christoph Meichsner auf einer Site der Universität Leipzig (Stand 21.7.05).

Dass diese Überschrift ein Fall für deppenapostroph.de ist – geschenkt. Aber dass bei soviel erhobenem Zeigefinger

„Das oberstes Gebot für den verantwortungsbewussten Journalisten heißt: Recherchiere sorgfältig. Überprüfe alle deine Informationen: Stimmen Sie auch?“

ein Schlampigkeitsfehler den anderen jagt, ist ärgerlich. Das oberste Gebot wurde nicht eingehalten, ich stimme nicht, und auch nicht zu!

„Nicht umsonst hat de Deutsche Presserat die Sorgfalt der Recherche in seinen Pressekodex übernommen.“ Abbe de Stern seine nich:

„Schon vor dem Siegeszug des Internet wurde diese Regel oft gebrochen. Mitunter sorgten spektakuläre Faschmeldungen für Furore. Der Stern etwa behauptete 1983, Hitler-Tagebücher seien in seine Besitz.“

Ob bei den Faschmeldungen das „o“ vergessen wurde? Tipp an die Universität Leipzig, Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Abteilung Journalistik: nicht nur "de Info’s" überprüfen, sondern auch den eigenen Text.

16.7.05

Wässrige Vision mit Anforderungen


„Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“, soll Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt einmal gesagt haben. Was aber, wenn einer „wässrige Visionen“ hat? Noch dazu welche „mit Anforderungen“, wie die Leipziger Volkszeitung am 15. Juli schreibt? Rätselhafter, schlüpfriger Osten! Der metaphernverliebte Autor lässt dann auch noch eine Landschaft eine Seenplatte in den Schatten stellen – da wird es rasch kühl:

„Borna. Sachsen im Jahr 2020. Die Seenlandschaft im Südraum Leipzig hat die Mecklenburger Seenplatte längst in den Schatten gestellt. An den Ufern der Tagebaurestseen sind Hotels und Ferienanlagen gen Himmel geschossen.“

... und weg sind sie. So ist das mit Visionen!

„Der Freistaat hat sich mit der Einnahmequelle Tourismus komplett saniert. Eine Vision, die nicht ausschließlich Träumerei bemimt.“

Hier leidet die Verständlichkeit doch ein wenig. Nicht ausschließlich Träumerei bemimt?? Gebannt folgen wir der Erläuterung:

„(...) Alles Zukunftsmusik. Zunächst wird sich die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) darauf konzentrieren, Investoren für eben jene visionäre Hotel- und Erholungsmetropole zu gewinnen.“

Jetzt ist es die Metropole selbst, die visionär ist – immer noch besser als ein visionärer Staatssekretär.

„Im Klartext: Um die Erledigung des Verwertungsauftrages der LMBV zu erleichtern, wurde das Eckpunktepapier erarbeitet, das die Übernahme der Bergbauseen durch den Freistaat vorsieht (die LVZ berichtete).“

Ach so. Gut, dass es den Klartext gibt, sonst würden wir gar nichts verstehen! Außerdem gibt es hier scheuchende Lasten:

„Die Unterhaltungslasten für die Gewässer hatten Investoren bislang verscheucht. Die trägt dann der Freistaat.“

Die Investoren nämlich. Das hatten wir uns in Sachsen ohnehin so vorgestellt. Das Ganze ist

„(...) aus Sicht des Staatssekretärs eine "der besseren Möglichkeiten, möglichst viele private Gelder und Investoren in die Region zu ziehen." Und es habe freilich nichts damit zu tun, dass sich "der Freistaat Seegrundstücke in 1a-Lage sichern will", so Habermann mit einem Augenzwinkern.“

Also doch!

6.7.05

Kurioser dpa-Unfall

Das hier lese ich in der "Süddeutschen":

Ein Ultraleichtflugzeug landet auf einem Autodach, der Autofahrer bremst - und vom Dach des Autos fällt ein Motorsegler. Leute, es passieren noch Wunder! Ja sag mal, DPA: ist für ein solches Ereignis die Überschrift "Kurioser Flugunfall - Himmlischer Raser" nicht ein wenig mager? Wäre nicht angemessener zu schreiben: "Wunder-Porsche: Ultraleichtflugzeug wird zu Motorsegler!" Verkauft sich doch gleich viel besser. Und kann nicht jemand am Ort des Geschehens eine Pilgerstätte einrichten? Kann der Porsche auch übers Wasser fahren - und es nebenbei in Wein verwandeln? Das wären die Informationen, die uns interessiert hätten. (Nein, den Kalauer mit dem Märtyrer und dem Mehrtürer spare ich uns.)

Außerdem, liebe DPAlinge, ergeben sich aus der Schlußsequenz der Meldung einige Fragen an Sender Eriwan:

Frage: Kann man in Bitburg vergessen, den Tower zu kontaktieren?
Antwort: Im Prinzip ja - denn es gibt gar keinen Tower, den man kontaktieren könnte.

Frage: Kann man in Bitburg mit Landeerlaubnis landen?
Antwort: Im Prinzip nein: Ohne Tower gibt es auch keine Landeerlaubnis.

Deshalb berichtet ihr sehr richtig, dass der Pilot den Tower nicht kontaktiert hat und keine Landeerlaubnis hatte.
Nicht-existierende Dinge kann man nämlich weder kontaktieren, noch besitzen.

Und weil man nicht-existierende Dinge nicht besitzen kann, kann ich mir den Satz: "der Verfasser der Meldung besitzt keinen journalistischen Sachverstand" eigentlich sparen.

1.7.05

Schwarzer Peter

Lieber Yan Hoffman, der Sie mich unbekannterweise angeschrieben haben mit

> Wenn Sie mehr Geld, mehr Sicherheit und mehr Freiheit haben mochten, dann
> kann das der wichtigste Brief fur Sie sein, den Sie in Ihrem Leben gelesen
> haben.

Und hier ist die wichtigste Antwort fur den Ubersetzungsautomaten (Göögle? Bäbelfüsch?):

> Sie werden erfahren, wie ich habe... wie Sie werden... das in Wirklichkeit
> bringen, "mit Ihrem PC zu arbeiten und die Bezahlung fur einen vollen
> Arbeitstag erhalten".

Werden Sie haben sagen erfahren, wie lang unsereiner arbeiten muss, um einen Tagessatz zu erhalten?

> Was wichtig fur Sie zu begreifen ist, dass es unter viel Mull nur wenig Edelsteine gibt.

Unter Mull hätte ich in der Tat nicht danach gesucht. Zum Gluck bin ich gerade nicht verletzt.

> Das vollendete, einfache im Gebrauch System, das Sie einfach "einschalten",
> um Extrabucks zu bekommen.

Das englisch-deutsche Wörterbuch von leo.org teilt mit, dass "to pass the buck to s.o." auf deutsch heißt: jemandem den schwarzen Peter zuschieben". Ich habe sehr den Eindruck, Sie, lieber Yan Hoffman, schieben mir grade einen Extra-Schwarzen-Peter zu. Danke für die offene Warnung!

Falls Sie hingegen gemeint haben, ich solle "make a fast buck" (einen schnellen Dollar machen), widersprechen Sie sich gleich im nächsten Absatz:

> Wenn Sie unser Team anschliessen, bekommen Sie das volle Instrumentarium
> der Trainings und der Unterstutzung von De-payments. Nichts wird dem
> Selbstlauf uberlassen. Alles ist vorgesehen.
> Ausgaben!

Diese zweite Warnung ist wirklich hilfreich. Nein, ich schließe Ihr Team lieber nicht an. Please stay disconnected!

30.6.05

Warum die SPD die Wahl gewinnt




Nach der Prognose von Jakob Maria Mierscheid gewinnt die SPD die Bundestagswahl mit etwa 44 Prozent der Stimmen. Das ist die Nachricht des Tages - und der seltene Fall, dass die SPD-Bundestagsfraktion, der Spiegel online und Journalist Academy sich einmal als Brüder im Geiste erweisen. Es lebe Jakob Maria Mierscheid!

28.6.05

Anja und Tatjana



Lieber Fachbereich Multimedia am Nürnberger Bildungszentrum,

was hast du dir denn dabei gedacht? Du glaubst wohl, die Computerfuzzis merken den Unterschied zwischen Anja und Tatjana einerseits, Jochen und Gabi andererseits nicht? Oder anders ausgedrückt: Wenn keiner mitdenkt, hilft auch das beste Content-Management-System nicht...

26.6.05

Papstes Glück und Teufels Unglück


"Ratzinger will Jesus werden", heißt ein Gedicht von Wiglaf Droste --> Quelle: Junge Welt. Tatsächlich hat Papa Ratzi den Teufel so erschreckt, dass der zurückgetreten ist, wie der Bayerische Rundfunk herausgefunden hat.